Die 1920er Jahre – Teil 1

Hermann Benkowitz und Hedwig Nass

Die Jahre 1920-1924

Der Beginn der Dekade war vor allem in Europa von den Nachwirkungen des Ersten Weltkriegs geprägt. Erst langsam erholte sich die Bevölkerung von den Folgen dieser Katastrophe und der Wohlstand stieg an.

Der Erste Weltkrieg war zu Ende. Der Friedensvertrag von Versailles – unterzeichnet von Deutschland am 28. Juni 1919 – trat am 10. Januar 1920 in Kraft. Damit wurde der Erste Weltkrieg formal beendet. Grundgedanke des Vertrags war die Feststellung der Alleinschuld des Deutschen Reichs und seiner Verbündeten am Ausbruch des Krieges. Dementsprechend sah der Vertrag neben Reparationen und Rohstoff- sowie Nahrungsmittelleistungen auch die Abtretung der Kolonien und verschiedener Gebiete (Elsass-Lothringen u. a.) vor.

Der Vertrag wurde von der Mehrheit der Deutschen als illegitim und demütigend empfunden.  Die bisherige Provinz Westpreußen mit den pommerellischen Gebieten, gehörte nun wieder zu Polen wie zwischen 1466 und der Ersten Teilung Polens 1772. Benkowitz’ Heimat Westpreußen mit Kaschubien wurde zum »polnischen Korridor« und sicherte Polen den Zugang zur Ostsee.

Auszug aus Karte aus dem Zollkalender „1939 Reichszollbeamte“

Deutsches Reich mit den Landesgrenzen nach dem Versailler Vertrag (einschließlich der Ergebnisse von Abstimmungen und Abtretungen) und dem 1938 »angeschlossenen« Österreich aus dem Deutschen Beamten-Kalender 1939 (für Reichszollbeamte) vom 22.10.1938.

Für unseren Protagonisten Hermann Benkowitz und die Leibhusaren Regimenter 1 und 2 erfolgte Anfang Februar 1920 »der schmerz- und eindrucksvolle Abschied von dem geliebten Danzig«. Die Abschiedsrede hielt der Kommandeur des 2. Leibhusaren-Regiments Major Ferdinand von Bredow.

Abschied der Leibhusaren-Regimenter 1 und 2 am Danziger Hohen Tor, Februar 1920

Am 24. Februar 1920 verkündet Adolf Hitler in München das 25-Punkte-Programm, das Programm der NSDAP. Am selben Tag wurde die 1919 gegründete Deutsche Arbeiterpartei (DAP) in »Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei« (NSDAP) umbenannt. In diesem Programm wurde ein Großdeutsches Reich angestrebt, die Aufhebung der Bestimmungen des Versailler Vertrags gefordert, die deutsche Staatsbürgerschaft für Juden abgelehnt und der Aufbau eines autoritären Staates mit einer politisch gelenkten Presse und Literatur angekündigt

Die Reichswehr übernahm mich am 10. März 1920 zum Reiter Reg. 5 2. Esk. (Reiter-Regiment 5, 2. Eskadron), teilte Benkowitz in seinem Lebenslauf vom Oktober 1942 mit. Aufgrund des Wehrgesetzes vom 23. März 1921 wurde das Regiment in 5. (Preußisches) Reiter-Regiment umbenannt.

Auszug aus dem Militärpass 1914
Stempel: Maschinen-Gewehr-Eskadron Totenkopf Hus.-Regt. No. 2 (Leib-Husaren-2.)

Im Mai 1920 zog Hermanns Regiment nach Belgard ein, das seine neue Heimat werden sollte. Am 7. Mai 1920 hielten die beiden Eskadrons in ihrem neuen Standort Belgard in der »historischen Formation« feierlichen Einzug, die 1. Eskadron unmittelbar von der Grenze kommend, die 2. [Benkowitz’ Eskadron] aus Sachsen, wo sie im Landschutz einige Zeit hatte eingesetzt werden müssen.

Auszug aus Karte aus dem Zollkalender „1939 Reichszollbeamte“

Danzig, die Heimat der Leibhusaren-Regimenter, wurde am 15. November 1920 als Freie Stadt Danzig unter Aufsicht des Völkerbunds ein deutsches Gemeinwesen im polnischen Wirtschaftsraum; Polen erhielt zugleich Zugang zu einem leistungsfähigen Seehafen.

Hermann »integrierte« sich sehr schnell in seiner neuen Heimat Belgard an der Persante/Pommern. Er lernte Hedwig Nass (meine Großtante) und ihre Familie kennen.

In Belgard/Pommern lebte auch die Frau des 1916 in Ypern/Belgien gefallenen Ernst Nass (Hedwigs ältester Bruder und mein Großvater), Ida Mewe mit ihren Kindern Christa (meine Mutter), Werner und Heinz (drittes Kind durch Wiederheirat). Ein Rentenbescheid aus dem Jahr 1922 für die beiden Waisen Christa und Werner teilte ihr eine Rentenerhöhung von 155,- auf 167,40 mit.

Hedwig hatte sieben Geschwister. Eine besonders enge Verbindung hatten Hermann und Hedwig mit ihrer Schwester Liesbeth. 1922 verlobten sich und am 6. April 1923 heirateten beide Paare – Hermann und Hedwig Benkowitz, Liesbeth und Emil Fritz.

Obwohl die Jahre hart und mager für die Bevölkerung und die jungen Familien waren, so heirateten auch die ehemaligen Soldaten aus Hermanns Kameradenkreis. Standesgemäße Hochzeitskleidung widerspiegelten den Modetrend der 1920er Jahre und den Aufbruch in neue Zeiten.

Topfhut, Glockenhut, der vordere Rand hochgezogen sind die verschiedenen Attribute der „Neuen Frau“. 1919 sah man die Männer noch im Gehrock mit Zylinder. Die Herrenmode in den 1920ern war klassisch, dunkel und korrekt. Zu Beginn des Jahrhunderts war die Form des Sakkos recht breit (mit gepolsterten Schultern). Die Brust war verstärkt, um der männlichen Silhouette einen muskulöseren Eindruck zu verleihen. Die Hemden waren mit Kläppchenkragen versehen. (Wikipedia 21.10.20)

Hermanns neuer Truppenausweis vom »Reichswehrminister« belegt den neuen offiziellen Namen der deutschen Streitkräfte, die in jener Zeit als Berufsarmee organisiert war. Benkowitz führte dort seine Militärkarriere weiter und sie bot der jungen Familie eine gewisse Sicherheit – die gegenwärtige Hyperinflation schritt voran. Die Abwertung vervielfachte sich immer schneller, die Rückseiten der Reichsbanknoten wurden schon nicht mehr gedruckt. Die Reichsregierung war nicht mehr in der Lage, die Reparationen in angemessener Höhe zu bezahlen oder Ersatzleistungen in Form von Wirtschaftsgütern zu erbringen. Erst mit der Errichtung der Rentenbank und der Einführung der Rentenmark im Oktober resp. November 1923 gelang es, die Hyperinflation abrupt anzuhalten.

An Hermanns und Hedwigs ersten Hochzeitstag, am 6. April 1924, wurde Tochter Ursula Emma Florentine Benkowitz geboren.